TOS Story von S.Y. – beidseitiges TOS mit zusätzlichen Halsrippen und durchwachsenem Ergebnis

Schon als Kind hatte ich ständig Kopf- und Nackenschmerzen und war deswegen regelmäßig in der Physiotherapie. 2015 (zu dem Zeitpunkt war ich 15) wurden meine Beschwerden schlimmer: Der Schmerz  breitete sich in die Arme und Schulterblätter aus und auch die Schmerzen im Nacken nahmen zu! Oft hatte ich das Gefühl, meinen Kopf kaum mehr halten zu können und als würde ein 20kg schwerer Rucksack permanent auf meinen Schultern lasten. Als ich schließlich auf Anraten eines Orthopäden Training am Gerät machen sollte, eskalierten die Schmerzen und ich habe das Training abbrechen müssen. Zum Glück hatte ich zu diesem Zeitpunkt einen sehr guten Physiotherapeuten. Er hatte sich mein Beschwerdebild schildern lassen, ein paar Tests gemacht und für ihn war schnell klar: ich hatte TOS.

Bis dahin hatte ich davon – wie vermutlich die meisten von uns – noch nichts gehört und ahnte noch nicht, was dies alles nach sich ziehen würde. Ich vereinbarte einen Termin in einer Klinik in Stuttgart, die sich angeblich mit TOS auskennen sollte. Da ich mich dort total unwohl und überhaupt nicht verstanden gefühlt habe, habe ich mich im Internet über Alternativen informiert und bin auf Empfehlung anderer Betroffenen an die Adresse der Agaplesionklinik in Kassel gekommen. Dort bekam ich kurze Zeit später einen Termin. Die Untersuchungen ergaben, dass ich zusätzliche Halsrippen sowie alle drei TOS-Formen, also arterielles, venösen sowie neurogenes TOS hatte.

Wegen der extremen Beschwerden im Alltag (mittlerweile konnte ich in der Schule vor Schmerzen kaum mehr schreiben) und mangelnder Alternativen (Physiotherapie wurde über Jahre intensiv versucht, ebenso wie Schmerzmittel), entschied ich mich im Sommer 2016 zur OP. Dafür wurde zuerst auf der rechten Seite die erste Rippe und meine zusätzliche Halsrippe entfernt.

Die Zeit nach der OP habe ich als sehr anstrengend erlebt. Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass es einige gibt, denen es nach der OP wieder sehr schnell gut ging. Ich war auf teils sehr starke Schmerzmittel angewiesen, die vor allem anfangs gewisse Nebenwirkungen (Übelkeit, Kreislaufprobleme, Müdigkeit…) mit sich brachten. In die Schule konnte ich sehr lange nur 2 Stunden täglich gehen, weil danach mein Schmerzlimit erreicht war. Allein die tägliche Busfahrt war jedes Mal ein Kraftakt, da ich jede Unebenheit und jede Erschütterung im OP-Gebiet merkte und als sehr unangenehm empfand.

Von meiner Familie, meinen Freunden und der Schule wurde ich in dieser Zeit sehr unterstützt, was mir viel Kraft gab. Meine Lehrer in der Schule wussten über meine Erkrankung Bescheid. Ich bekam in Prüfungen mehr Zeit und konnte selbst entscheiden, wie viele Stunden ich jeden Tag in der Schule schaffte.

Trotz der großen Unterstützung von außerhalb war es eine sehr schwere Zeit für mich, vor allem, wenn ich mein Leben mit dem einer „normalen“ 16-jährigen verglich. Ich zog mich zurück, auch einfach aus dem Grund, weil mit den Schmerzen selbst Kleinigkeiten extrem anstrengend sein können und ich auch manchmal nicht wusste, worüber ich mich mit den anderen in meinem Alter unterhalten sollte. Mein Alltag drehte sich um Schmerzen, Ärzte und Medikamente. Die anderen hingegen tauschten sich darüber aus, auf welche Party sie gehen würden oder welcher Ausflug als nächstes anstand. Mit der Zeit wurden die Beschwerden allerdings weniger und ich konnte am Alltag wieder etwas mehr teilhaben.

Im Sommer 2017 entschied ich mich zur zweiten OP, um mit TOS endlich abschließen zu können. Da ich dieses Mal wusste, was auf mich zukommen würde, konnte ich alles besser planen. Die OP sollte Ende des Schuljahres stattfinden, um eine möglichst lange Erholungsphase zu haben.

Als auch die anfänglich schwere Zeit nach der zweiten OP vergangen war, ging es mir lange Zeit besser. Es waren zwar immer noch einige Beschwerden vorhanden, aber es war besser als zuvor. Pünktlich vor den Abi-Prüfungen verschlimmerten sich meine Beschwerden jedoch wieder. Besonders zu kämpfen hatte ich mit den Nervenschmerzen im Arm. Diese wurden immer schlimmer und vor allem das Schreiben wurde zum Problem.

Da ich wusste, dass sich Tübingen (Neurologie, Gefäß- & und Thoraxchirurgie) gerade mit rezidiven TOS-Problematiken auskannte, vereinbarte ich dort einen Termin. Es wurde die Diagnose rezidives TOS (ausgelöst durch Vernarbungen) gestellt. So kurzfristig vor den Abi-Prüfungen konnte nicht mehr wirklich etwas gemacht werden. So bekam ich während den Prüfungen deutlich mehr Zeit und Pausen und im Deutsch- und Wirtschafts-Abi sogar zwischendurch Physiotherapie (dies lässt sich durch einen Nachteilsausgleich beantragen). So schaffte ich es trotz der Beschwerden, mein Abi zu schreiben.

Nach den Prüfungen 2018 entschied ich mich zu einer rezidiv-OP auf der rechten Seite. Eine Neurolyse wurde geplant. Dafür wurden die Vernarbungen operativ entfernt und der Nerv wurde mit Fett unterpolstert. Allerdings wurde bereits im Vorfeld erklärt, dass die OP nur in 50% der Fälle Besserung verschafft.

Alles in allem sind die Beschwerden auch heute noch im Alltag präsent, aber ich habe gelernt, damit gut zu leben. So kann ich trotz der Schmerzen studieren. – ich brauche allerdings zwischendurch immer wieder Pausen zum Hinlegen – und kann auch im Alltag das meiste machen. Dinge wie (schweres) Tragen oder andere Sachen, die den Arm zu sehr belasten, versuche ich so gut es geht zu vermeiden.

Durch die Operation haben sich ein paar Dinge verbessert: so habe ich z.B. mehr Kraft in den Armen und auch die Gefahr eine Thrombose zu bekommen, wurde durch die OP unwahrscheinlich. Vor der OP hatte ich Wortfindungsstörungen. Es ist zwar nicht gesichert, dass diese durch TOS ausgelöst werden, aber bei mir waren diese nach den beiden OPs weg. Von den Schmerzen hat sich wenig geändert, trotz allem würde ich die OPs wieder machen. Einerseits weiß ich nicht, wie es mir heute ohne diese OPs gehen würde – denn leider wird TOS meist von allein nicht besser und andererseits konnte ich so für mich mit dem Thema TOS besser abschließen.

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